Innsbruck (OTS) – In Tirol hat sich die Stimmung gewandelt. Wachstumsgrenzen und Nachhaltigkeit werden nicht mehr als vereinbar mit Großveranstaltungen oder Skigebietserweiterung gesehen. Auch daran ist die geplante Gletscherehe Pitztal-Ötztal gescheitert.
So unverbindlich die von der schwarz-grünen Landesregierung forcierten neuen Wege im Tourismus auch sein mögen: Nichtsdestotrotz hat die Debatte darüber einen breiten Nachdenkprozess ausgelöst. Wer hätte sich noch vor Jahren gedacht, dass die Standortgemeinde den geplanten Zusammenschluss der Skigebiete auf dem Pitztaler und Ötztaler Gletscher ablehnt? An der Gletscherehe haben sich Befürworter wie Gegner (politisch) gerieben. Schließlich war das 132-Millionen-Euro-Vorhaben mit drei neuen Seilbahnen, 64 Hektar zusätzlichen Pisten, einem Skitunnel und einem neuen Speicherteich eben ein Gradmesser dafür, wie es die Politik und speziell die Tiroler ÖVP mit dem touristischen Perspektivenwechsel tatsächlich hält.
Der fortschreitende Gletscherschwund und die im Umweltverträglichkeitsgutachten als untragbar eingestuften Auswirkungen auf das Landschaftsbild sowie den Erholungswert haben die Gletscherehe bereits vor zwei Jahren auf Eis gelegt. Das Projekt hätte ohnehin deutlich überarbeitet und abgespeckt werden müssen, damit es die Hürde für die Umweltverträglichkeit irgendwie schafft. Denn verbessert haben sich die Rahmenbedingungen seither nicht wirklich. Nicht einmal im Pitztal, das auf den Tourismus angewiesen ist, wird der Skigebietszusammenschluss offenbar noch als einziges Allheilmittel gesehen.
Deshalb geht das Signal aus St. Leonhard weit über das Pitztal hinaus. Es manifestiert eindrücklich die heutige Skepsis gegenüber vielen Großprojekten im Tourismus, andererseits benötigt es angesichts des Klimawandels neue und nicht alte Antworten auf die Herausforderungen in der Freizeitwirtschaft. Passen rekordverdächtige Pistenkilometer überhaupt noch zu Tirol? Wie ist es mit der Verkehrsbelastung, wenn es sich an den Wochenenden in den Tälern staut? Zudem kann der Mangel an Mitarbeitern bei Seilbahnen, in der Gastronomie und Hotellerie nicht mehr mit den ambitionierten Ausbauplänen mithalten.
Kommt die knappe Ablehnung der Bevölkerung in St. Leonhard, die das Aus für die Gletscherehe bedeutet, jetzt überraschend? Nein! Schon 2017 haben sich 54 Prozent der Tiroler gegen dritte Olympische Winterspiele in Innsbruck ausgesprochen. Wachstumsgrenzen, Nachhaltigkeit und Großveranstaltungen bzw. Skigebietserweiterungen – für die Bevölkerung passt das offensichtlich nicht mehr zusammen. Müssen für Seilbahnen dann auch noch Berggrate weichen, wird es selbst für die Politik unmöglich, weiterhin die notwendige Balance zu bewerben. Und es sind nicht nur die als grünaffin bezeichneten Städter, die zweifeln, die Bedenken sind längst am Land angekommen – wie in St. Leonhard im hinteren Pitztal.
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Der Beitrag TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Ausgabe vom 18. Juli 2022, von Peter Nindler: „Klimawandel nicht nur im Pitztal“ erschien zuerst auf TOP News Österreich – Nachrichten aus Österreich und der ganzen Welt.
